Thoreau

Diese Geschichte beginnt mit einem Geständnis. Ich habe Henry David Thoreaus Buch “Walden oder Hüttenleben im Walde” nie ganz gelesen. Ich will nicht bis zur letzten Seite kommen, will nicht , dass es zu Ende ist. Und so begleitet mich dieses Buch schon ein halbes Leben.

Meine Zeit hier in der kleinen Hütte am Rande des Waldes ist eine Illusion, wie der Wunsch nach Entschleunigung und Ruhe. Ich gebe mich dieser Illusion hin, wissend und nur aufgehalten von mir selbst, lasse ich mich erschöpft fallen.

Nachtuntergang und ich breche auf. Es regnet noch immer, immer noch leise. Warum ist es so still, kein Vogel ruft, ich begegne keinem Menschen. Ich bin ohne Sprache. Endlich ruft ein Schwarzspecht, erlösend und tröstlich sein klagender Schrei.

Ich gehe und denke. Natur, Natur sein lassen, Mensch, Mensch sein lassen. Das Maß ist abhanden gekommen, so wird die Welt uns verlieren. Der kalte Nebel kriecht unter die Jacke, freue mich auf meine Hütte und den treuen Ofen. Der weiße Stuhl wird wissen wollen, was ich heute erlebt habe.

Sonne erfüllt den kleinen Raum. Ich bleibe heute an meiner Hütte, bin nicht bereit draussen wieder niemandem zu begegnen. Erschöpfte Farne befreien sich aus ihrer eisigen Ummantelung, der Waldboden beginnt zu dampfen und ich fotografiere mir die Sprachlosigkeit aus dem Kopf.

Kolkraben fliegen, sie schweben wie schwarze Tintentropfen in einem seidengrauen Himmel. Ich laufe lautlos auf weichem Waldboden, federnd, fast leicht. Meine Augen suchen vergebens nach katzengleichen Konturen, doch ich habe ihn gespürt, den Luchs, sein Blick auf meinem trägen Körper. Es ist eine schöne Vorstellung, von einem Luchs gesehen worden zu sein. Es dämmert, ich muss zurück. Diese Zeit in der Hütte hat mich nicht verändert, doch ich weiß jetzt etwas besser, wer ich bin.

Schönheit des Vergangenen

Schönheit des Vergangenen

033Thoreau_Rosenboom.JPG

Diese Geschichte ist entstanden auf Einladung des Waldzeit Vereins im Bayerischen Wald. Anlass zu diesem Projekt, ist das 50 Jährige Jubiläums des Nationalparks.

“Danke, für diese wertvolle Zeit”

Weiter
Weiter

Unterwegs